Wissenswertes zu Nebenangeboten
Zu Nebenangeboten stellen sich oft – teilweise grundsätzliche – Fragen, z.B.: Wann sind Nebenangebote zugelassen? Wann ist es sinnvoll, Nebenangebote zuzulassen? Was hat es mit Mindestanforderungen auf sich?
Der Begriff des Nebenangebots
Ein Nebenangebot („NA“) zeichnet sich durch eine Abweichung von der vom Auftraggeber vorgesehenen Ausführung aus. Es lassen sich folgende Arten von Nebenangeboten unterscheiden:
- technisches NA (andere Materialien, andere Verfahren, Umplanungen); nur möglich bei einer Leistungsbeschreibung mit LV
- NA mit anderen Leistungsumständen (zB Leistungszeit)
- kaufmännisches NA (zB Zahlungsbedingungen, Preisvorbehalte, Sicherheiten oder Preisnachlässe mit Bedingungen)
- rechtliches NA (bspw. durch die Formulierung abweichender vertraglicher Regelungen)
Wann sind Nebenangebote zugelassen?
Liefer-/Dienstleistungen:
Sie müssen in der Auftragsbekanntmachung zugelassen werden, damit sie zulässig sind. Fehlt eine Angabe, sind keine Nebenangebote zugelassen. Das ergibt sich aus § 35 Abs. 1 VgV bzw. § 25 Satz 1, 2 UVgO.
Bauleistungen:
Zulassung erfolgt in der Bekanntmachung. Fehlt eine Angabe, ist zu unterscheiden: Bei nationalen Vergaben sind sie dann zugelassen (§§ 8 Abs. 2 Nr. 3 S. 1 lit. a, 16 Abs. 1 Nr. 6 VOB/A), bei EU-Vergaben nicht (§ 8 EU Abs. 2 Nr. 3 S. 1, 2 VOB/A).
Bei der Entscheidung des AG, ob er NAe zulässt oder nicht, ist der öffentliche AG grundsätzlich frei. Er kann Zulassung von NAen auch von der Abgabe eines Hauptangebots abhängig machen.
Was bedeutet „Zulassung“ von Nebenangeboten?
NAe dürfen von Bietern nur angeboten und bei der Angebotswertung berücksichtigt werden, wenn sie vom Auftraggeber zugelassen sind. Sind NAe zugelassen, müssen diese grundsätzlich gewertet werden. Sind NAe nicht zugelassen, sind NAe zwingend auszuschließen.
Wann macht es Sinn, Nebenangebote zuzulassen?
Eigentlich immer dann, wenn die nachgefragte Leistung sich dazu eignet, die Fachkunde der Bieter für eine technische Verbesserung oder eine preisliche Optimierung zu nutzen. M.a.W.: wenn der Bieter ggf. eine bessere oder preiswerte Lösung kennen könnte. Also dann nicht, wenn man aus zwingenden Gründen genau das, was im Leistungsverzeichnis (LV) beschrieben ist, beschaffen möchte.
Exkurs: Bei der Leistungsbeschreibung (LB) gibt es zwei Arten, eine mit LV und eine funktionale LB. Bei ersterer werden alle Einzelpositionen detailliert aufgezählt, bei letzterer gibt es keine detaillierte Aufzählung von Einzelpositionen, sondern „nur“ eine Beschreibung der Leistung mittels Leistungs- oder Funktionsanforderungen (deshalb auch „funktionale“ Leistungsbeschreibung).
Bei der Zulassung von Nebenangeboten zeigt sich somit, dass dies nur Sinn macht bei einer LB mit LV, ergänzt um eine funktionale Komponente (also quasi eine LB mit LV und funktional ergänzt), also: man definiert genau, welche Leistung (Anzahl, Typ, Farbe, techn. Parameter usw.) gewünscht ist, ist aber für andere Produkte offen, die die gewünschte Funktion auch erfüllen.
Mindestanforderungen
Mindestanforderungen sind vom Auftraggeber aufgestellte verbindliche Vorgaben, die der Bieter bei der Erstellung seiner Nebenangebote zwingend einzuhalten hat.
Das Erfordernis ergibt sich aus praktischen Gründen: Wenn in einer LB mit LV genau definiert ist, was beschafft werden soll, durch die Nebenangebote aber die Möglichkeit eröffnet wird, andere Leistungen anzubieten (die also nicht die Kriterien des LV erfüllen), die jedoch auch geeignet sind, die gewünschte Funktion zu erfüllen, so eröffnet man damit ein „weites Feld“. Zur Einschränkung dieser Weite (oder Vielfältigkeit) denkbarer Lösungen werden Mindestanforderungen aufgestellt. Zweite Funktion der Mindestanforderungen ist es, öffentlichen Auftraggebern zu erschweren, Nebenangebote mit der vorgeschobenen Begründung zurückzuweisen, sie seien gegenüber dem Amtsvorschlag minderwertig oder wichen davon unannehmbar ab. Die Benennung von Mindestanforderungen soll es den Bietern also ermöglichen zu erkennen, welche Anforderungen ihre Nebenangebote erfüllen müssen, um gewertet zu werden.
Man kann die Mindestanforderungen positiv oder negativ definieren (Beispiel aus einer Bauvergabe: „Folgende Mindestbedingungen müssen die Bieter bei der Einreichung von Nebenangeboten beachten: Die Gründung der Widerlager, die sich aus dem Amtsentwurf ergibt, darf nicht verändert werden. Es ist zwingend eine Flachgründung anzubieten. Bei der Gestaltung der Brücke ist deren Kubatur zu beachten; im Übrigen sind sämtliche einschlägigen technischen Regelwerke zu berücksichtigen.“).
Sind die Angaben in einer Leistungsbeschreibung nicht immer Mindestanforderungen?
Diese Frage wurde mir von einem Seminarteilnehmer gestellt. Die Antwort: Nein. Nebenangebote sind nur diejenigen Leistungen, die die Angaben in einer Leistungsbeschreibung mit LV(!) (die detailliert aufgezählten Einzelpositionen) nicht erfüllen und erst durch ihre Zulassung wertbar werden, vorausgesetzt, sie erfüllen die in der funktionalen Beschreibung (die zu der detaillierten Auflistung der Einzelpositionen (= LV) hinzutritt) aufgestellten Kriterien. Wenn die Angaben in einer Leistungsbeschreibung immer zugleich Mindestanforderungen wären, dann gäbe es niemals Nebenangebote, die wertbar wären.
Dr. Martin Dimieff
Rechtsanwalt
POLARIS Rechtsanwälte
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